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Es lebe der Konzert Flyer (trotz Pandemie)


„Als Flugblatt, Handzettel, in Österreich Flugzettel, älter auch fliegendes Blatt und heute meist unter dem englischen Begriff Flyer bekannt, bezeichnet man ein beschriftetes Papierblatt, das eine Mitteilung transportiert und verbreitet. Flugblätter erscheinen nicht periodisch, oftmals sogar nur einmalig, und sie zählen zu den Druckerzeugnissen. Flugblätter werden zu aktuellen Anlässen, für Ankündigungen oder zur Werbung herausgegeben und kostenlos durch Personen oder andere Methoden aktiv verteilt oder sie liegen zur Mitnahme aus.“ So steht’s in Wikipedia. Ist jetzt aber natürlich nichts, was man nicht schon gewusst hätte. Warum also erzähle ich Euch das? Weil ich an einem verregneten Wochenende in meiner Kiste mit den alten Flyern gestöbert habe und dabei so manches Schätzchen in die Hände bekam. Als die Infokanäle noch begrenzt waren und keine Mailverteiler oder gar Instagram / Facebook Veranstaltungsseiten existierten, war man auf die Infos von den kleinen Zetteln angewiesen. Und so stürzte man sich bei jedem Konzert auf die ausgelegten Flyer. Was ich im Übrigen auch heute noch tue, ich stürze mich vielleicht jetzt nicht gerade drauf, stecke sie im Verlauf des Abends aber doch immer noch ein. Für die Szene der 80er / 90er Jahre aber war die Mundpropaganda überlebenswichtig. Und so nahm man auch noch zusätzliche Flyer für die daheim gebliebenen Kumpels mit. Man wollte ja schließlich gut besuchte Veranstaltungen und vielleicht brachte ja auch beim nächsten Konzert jemand die Freundin seiner Freundin mit, die sich dann allerdings meistens nicht die Bohne für einen interessierte. Außerdem konnte man sich natürlich mit seinem Wissen über anstehende Konzerte bei den Kumpels als Szenekenner in Position bringen, was einem aber keineswegs auch einen freien Mitfahrerplatz am Konzertabend sicherte. In meinen Anfangsjahren in der Rock’n’Roll Szene waren die Flyer zumeist noch recht einfach gehalten. So ist z.B. ein altes Exemplar vom Faschingssamstag im Februar 1990 von der Alten Feuerwache in Mannheim, eine A4 Kopie mit schlechten Schwarzweiß Fotos und mit der Schreibmaschine geschriebenem Text. Angekündigt wird eine damals sehr junge Band namens Boppin‘ B, kennt vielleicht der ein oder andere von euch. Der Text zur

Vorstellung der Band würde heute vermutlich keinen mehr zu Begeisterungsstürmen hinreißen. Da heißt es: „Auf der Bühne geht es zur Sache. Didi stemmt sein Baß-Ungetüm, springt drauf und bearbeitet es mit Händen und Füßen. Der Sänger sprintet in Rekordlaune von rechts nach links und wirbelt den Mikroständer übern Kopf“!! Holla die Waldfee. Mir persönlich ist dieses Konzert nicht wirklich in Erinnerung geblieben, scheint also weit weniger spektakulär gewesen zu sein als angekündigt. Aber dafür kann man heute beim Anschauen drüber schmunzeln. Die alten Flyer wurden oft vom Veranstalter selbst gestaltet. Irgendjemand der einigermaßen zeichnen konnte, steuerte eine Comic Figur bei oder die Kopie einer Kopie eines Bandfotos musste herhalten. Infos zu Zeit und Ort und fertig war die Geschichte.

Eventuell gab’s noch den Hinweis „mit DJ“ oder „Plattenverkauf“. Auf einem Flyer fand ich eine kleine Zeichnung zweier Psychos mit dem Text: „wir müssen leider draußen bleiben“. Diese Zeiten haben wir ja auch Gott sei Dank längst hinter uns gelassen. Es kann wohl niemand behaupten, es hätte sich damals keiner Mühe gegeben, die entsprechenden Mittel waren aber eben meist einfach nicht vorhanden. Oftmals findet man auf den alten Flyern kleine liebevolle Details zum Veranstaltungsort oder auch zum veranstaltenden Club. Ich habe auch 2 schöne Exemplare in der Sammlung, die komplett von Hand gezeichnet und beschriftet wurden, oder ganz modern damals: frühe, total verpixelte Computergrafiken. Format auch gerne mal im handlichen A4, das war halt leicht zu kopieren. War eben alles noch nicht so professionell. Eine meiner Lieblingsanmerkungen: „freier Eintritt, 1 DM Zuschlag auf die Getränke“. Wenn man sich die heutigen Flyer anschaut, bekommt man oft Grafiken auf Hochglanzpapier geboten, die zum Teil von echten Künstlern entworfen wurden oder sogar kleine Heftchen mit allerhand Zusatzinfos und Fotos. Aber trotz der vielen modernen Informations- und Promotion-Möglichkeiten stirbt der Flyer nicht aus. Vielleicht gerade wegen des Überflusses an elektronischer Information, die ja tagtäglich an einem vorbeirauscht. Man kann sich diese Masse an Informationen ja gar nicht mehr behalten. Einen Flyer jedoch nimmt man in die Hand, überfliegt ihn erstmal und muss ihn dann bewusst einstecken oder wieder zurücklegen.

Packt man ihn ein, wird man ihn daheim nochmal genau anschauen und so verarbeitet man die Infos einfach bewusster. Auf diese Weise habe ich vor 2 Jahren z.B. das Route 66 Festival in der Schweiz entdeckt. Als ich den Flyer auf dem Walldorf Weekender zusammen mit vielen anderen einsteckte, hatte ich von diesem Festival vorher noch nie gehört. Beim Frühstück am folgenden Morgen dann das Lineup gesehen und kurz darauf waren die Tickets gebucht. Also tun die Veranstalter nach wie vor gut daran, zu den modernen Infokanälen auch weiterhin fleißig Flyer zu verteilen. Und wir als Konsumenten haben, sofern wir sie behalten, auch noch später was davon und sei es nur alle paar Jahre mal für ein Stündchen an einem verregneten Nachmittag.

Frank Herboth

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